Interview mit Dr. Aniko Saß – Oberärztin und Leitung der Sport- und Präventionsmedizin der Johannesbad Fachklinik Raupennest
Altenberg – 3. Mai 2024 – Regelmäßige Bewegung ist wichtig, das wissen wir alle. Aber wie wird man sportlich, wenn man jahrelang nicht trainiert hat? Und wie bleibt man dran? Darüber spricht die Sport- und Präventionsmedizinerin Dr. Aniko Saß im Interview.
Was ist der beste Sport, um langfristig fit zu werden?
Eine „One-size-fits-all-Sportart“ gibt es nicht. Es kommt auf die individuellen Anforderungen und Vorlieben an. Nur wenn ich motiviert bin, habe ich eine Chance, langfristig dabei zu bleiben. Zudem bringt jede/r andere körperliche Voraussetzungen mit, auf die es gilt, individuell einzugehen. Wir müssen weg von „eine Empfehlung für alle“ – nicht nur in der Bewegungstherapie, sondern auch bei der Ernährung. Auch ein SOLL und MUSS sind mit Vorsicht zu genießen. Wir wissen alle, dass Wohlbefinden sich aus vielen Faktoren generiert. Bewegungs- und Abnehm-Stress können sogar negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Wie finde ich dann heraus, was zu mir passt?
Dafür sollte man in sich gehen und überlegen: Was habe ich gerne gemacht? Wo bin ich in meinem Element? Ist es das Wasser, sind es die Berge oder ist es ein Fitnessstudio mit Geräten? Außerdem wichtige Fragen: Was bin ich für ein Typ? Brauche ich feste Termine, brauche ich eine Anleitung? Kann ich besser alleine oder in der Gruppe Sport treiben? Kann ich mich intrinsisch motivieren? Hilft mir eine App, die mich belohnt, wenn ich ein nächstes Level erreicht habe? Diese Fragen sollte ich mir stellen, bevor ich mit dem Training starte.
Und dann kann es losgehen?
Grundsätzlich empfehle ich, vor der Aufnahme eines Fitnessprogramms einen sportmedizinischen Vorsorge-Checkup zu machen. Die Krankenkassen übernehmen hier jährlich einen erheblichen Anteil der Kosten – circa 120-140 Euro – bei dafür zertifizierten Untersuchungsstellen. Hier wird man untersucht, aufgeklärt und erfährt, was für einen ganz persönlich Sinn macht. Dabei entscheiden die Ärzte auch, ob z.B. eine kardiologische Voruntersuchung nötig ist. Denn immerhin hat jeder Vierte in Deutschland Bluthochdruck, ohne dass er oder sie es bemerkt.
Wie starte ich richtig?
Am Anfang empfehle ich ein Ausdauer-orientiertes Training. Es gilt: Langsam starten, keine Sprints und schrittweise – mit Verbesserung des Fitnessniveaus – zunächst die Dauer, dann die Häufigkeit der Trainingseinheiten steigern. Erst wenn das ohne Beschwerden klappt, kann man über eine Intensitätssteigerung nachdenken. Denn wenn man sich zu früh zu viel zumutet, kann das zu Verletzungen führen und die Fortschritte zunichte machen. Grundsätzlich sollte ich immer darauf achten, wie sich mein Körper während und nach dem Training fühlt: Strenge ich mich an? Weiß ich, wann ich aufhören muss, wenn sich etwas nicht richtig anfühlt?
Wie steigere ich mein Leistungsniveau?
Zunächst: Ruhe und Erholung sind ebenso wichtig wie das Training selbst. Ich sollte daher unbedingt Ruhetage in mein Programm einplanen, damit sich mein Körper erholen und regenerieren kann. Wenn ich mich steigern möchte, dann spüre ich in der Regel, wann ich bereit bin für das nächste Level. Wichtig ist, sich langsam zu steigern und vorzutasten. Aus medizinischer Sicht ist es im Übrigen gar nicht erforderlich, sich kontinuierlich zu steigern. Wichtiger ist es vielmehr, ein Grundmaß an Fitness zu halten.
Wie sieht dieses Grundmaß an Fitness aus?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Erwachsene wöchentlich mindestens 150 bis 300 Minuten körperlicher Aktivität von moderater Intensität. Gemeint ist dabei Ausdauertraining für Herz und Kreislauf. Zudem werden zweimal pro Woche zusätzlich Krafttraining als Sturz- und Osteoporose-Prophylaxe empfohlen. Gerade bei älteren Menschen, 65plus, ist Koordinationstraining wichtig, um Stolperfallen zu reduzieren. Balanceboards können hier hilfreich sein, gestartet werden sollte mit einfachen Übungen wie etwa Einbeinstand mit Festhaltemöglichkeit.
Gibt es eine Erfolgsstrategie, wie ich dranbleibe am regelmäßigen Training?
Struktur ist wichtig im Leben. Deshalb macht es Sinn, den Sport sinnvoll in den Tagesablauf zu integrieren. Die genannten mindestens 150 Minuten pro Woche können dabei individuell in den Wochenrhythmus eingebaut werden. Mache ich lieber zweimal die Woche 75 Minuten Sport, dreimal die Woche 50 Minuten oder fünfmal pro Woche 30 Minuten Ausdauer plus 2-mal Kraft und 3-mal Gleichgewichtsübungen? Vieles davon lässt sich oft auch schon in den Berufsalltag integrieren. Man könnte auch sagen: Bewege ich mich wenigstens 60 min am Tag?
Indem ich zum Beispiel mit dem Rad zur Arbeit fahre …
Genau. Radfahren ist für viele geeignet, weil Gewicht hier eine untergeordnete Rolle spielt. Zudem können auf einem Ergometer auch gangunsichere Personen ihre Muskeln und Ausdauer ohne Sturzgefahr trainieren.
Sie sprachen das Gewicht an. Was empfehlen Sie noch bei Übergewicht?
Übergewichtige Menschen sollten zunächst auf gelenkschonende Sportarten setzen, hier sind Fahrrad-Ergometer, Schwimmen, Spaziergänge – am besten mit Nordic Walking Stöcken – ideal. Darüber hinaus ist eine Kombination aus Bewegungs- und Ernährungstherapie empfehlenswert.
Bei Ballsportarten ist das Verletzungsrisiko eher hoch. Also besser darauf verzichten?
Menschen, die einen koordinativ anspruchsvollen Sport treiben – also Ballsportarten wie Tennis oder Volleyball – empfehle ich, neben entsprechender Aufwärmung zusätzlich auch ein Ausgleichstraining zu absolvieren, um das Verletzungsrisiko zu reduzieren. Dazu gehören ein gutes Koordinations- und Ausdauertraining sowie - mit zunehmendem Alter - die wichtige Sturzprophylaxe. Krafttraining brauchen wir im Übrigen alle für unseren Knochenstoffwechsel. Auf diese Weise kann man diese Sportarten auch noch im Alter durchführen.
Viele Menschen – vor allem ältere – haben einen Gelenkersatz. Sollten sie noch trainieren oder sich besser schonen?
Menschen mit Gelenkersatz sollten auf eine adäquate Bewegung und Gewichtsmanagement achten. Dabei kann Bewegung und moderates Krafttraining den Heilvorgang verbessern, die muskuläre Leistungsfähigkeit steigern und die knöcherne Verankerung des Implantates fördern. Je nach Art des künstlichen Gelenks und der OP-Technik ist das Kunstgelenk einige Monate nach der OP wieder voll einsetzbar.
Welche Sportarten sind hier sinnvoll?
Sobald die Prothese also fest im Knochen verankert ist und die Bänder stabil sind, der Patient ein flüssiges Gangbild hat, volle Bewegungsfähigkeit aufweist sowie einschlägige Balanceakte beherrscht, sind beispielsweise Radfahren, Wandern, Schwimmen, Aquagymnastik oder Nordic Walking in der Regel wieder gut möglich. Für einige andere Sportarten – wenn im Vorfeld betrieben und Vorerfahrung vorhanden – gibt es mit Modifikationen ebenfalls einen Wiedereinstieg. Dies sollte aber mit erfahrenen ärztlichen Kolleg:innen abgesprochen werden. Gerade mit einer Gelenkprothese ist es wichtig, in Bewegung zu bleiben, die Muskulatur zu kräftigen und die Beweglichkeit zu erhalten.
Noch eine Frage zum Schluss: Lieber einen Sport oder mehrere?
Das kommt darauf an, auch auf die zeitliche Flexibilität. Mehrere Sportarten haben jedenfalls den Vorteil, dass man Abwechslung hat und sich keine Langeweile einstellt.
Fazit:
Eine Fitnessroutine zu beginnen und durchzuhalten, erfordert vor allem intrinsische Motivation und Ausdauer. Man sollte Aktivitäten wählen, die angepasst an das eigene Leistungslevel Spaß machen, abwechslungsreich sind und sich gut in den Alltag integrieren lassen, also zum persönlichen Lebensstil passen. Denn schließlich ist Fitness nicht nur eine vorübergehende Lösung, sondern ein lebenslanger Weg zu Gesundheit und Wohlbefinden.
Für weitere Informationen bzw. Rückfragen wenden Sie sich bitte an janine.simbuerger@johannesbad.com Die Verwendung der Bilder ist gegen Zusendung eines Belegexemplars honorarfrei.
Belegexemplare bitte senden an: Johannesbad Holding SE & Co. KG | Marketing | Johannesstraße 2 | D-94072 Bad Füssing